In den Achtzigern wurden sie durch Ikonen à la Madonna populär: Schulterpolster. Das gegenwärtige Revival der breiten Schultern ist unbestreitbar – Demna Gvasalia sei Dank. Ein Beitrag über den kontroversen Trend.
Schlanke Models mit Schulterpartien im XL-Look. Diese Silhouette war auf den Laufstegen der Herbst/Winter 2019 Shows wiederholt auffindbar. Die Designer zeigten die übertriebene Betonung an jeglichen Kleidungsstücken, vom klassischen Blazer bis zum glamourösen Abendkleid. Mittlerweile ist die Schulterpolster-Ästhetik bei Modenschauen von Häusern wie Louis Vuitton, Gucci und Balmain kaum noch wegzudenken.
Doch vor allem ist es Balenciaga- und Vetements-Chefdesigner Demna Gvasalia zu verdanken, dass der Trend nicht nur auf den Laufstegen, sondern auch auf den Straßen zelebriert wird. Der gebürtige Georgier überzeugt seit 2016 mit seinem Sinn für clevere Proportionen in der Männer- und Frauenmode. Überdimensionale Schultern gelten als eines seiner Markenzeichen. Seitdem ist der Stil bei unzähligen Bloggern, Influencern und selbst bei It-Girls wie den Kardashians zu entdecken.
Vom Football zum Feminismus
Ihren Ursprung finden die Schulterpolster bereits Ende des 19. Jahrhunderts. In Amerika wurden um 1880 gepolsterte Schultern als Schutzgarant für Football-Spieler entwickelt.
Anfang der dreißiger Jahre schwappte der Stil in die Damenmode über. Die Designerin Elsa Schiaparelli gilt als Pionierin, wenn es um die Etablierung der Schulterpolster in der High-Fashion-Welt geht. Im Jahr 1931 zeigte sie erstmalig ihre Frauenkollektion, die reich bestückt war mit breitschultrigen Jacken und Mänteln. In den Vierzigern mussten die Frauen der Soldaten im zweiten Weltkrieg deren Arbeitsplätze übernehmen. Wichtig war es, sich in den sonst so männerdominierten Einrichtungen als Frau Respekt zu verschaffen. Also passte man sich optisch dem Mann an und kleidete sich in breit geschnittener Oberbekleidung. Schulterpolster wurden endgültig in die Arbeitswelt integriert. Die arbeitenden Frauen stellten sich so den Männern gleich, doch nicht bloß auf den Ebenen der Bezahlung oder des Respekts, sondern vor allem auch hinsichtlich der Statur.
Als Christian Dior in den fünfziger Jahren seine neue Silhouette, den New Look, präsentierte, bedeutete das ein vorzeitiges Abklingen des Schulterpolster-Hypes. Absolute Feminität und schlanke Linien dominierten die Modewelt. Erst Anfang der Achtziger wurde der Trend durch Musiker wie Grace Jones oder Duran Duran wieder beliebt. Jenes Jahrzehnt entwickelte sich schließlich zur goldenen Ära der Schulterpolster. Man trug sie im Alltag, zur Arbeit und selbst abends beim Ausgehen.
Ein politischer Trend
Jedoch sind breite Schultern nicht das einzige Modeelement der Achtziger, das momentan wiederbelebt wird. Tierprints, Neon, übergroßer Schmuck und Bralettes, die als normales Oberteil getragen werden, genießen ebenfalls ein Comeback auf den Laufstegen und in den Kleidungsgeschäften dieser Welt. Neben einer präsenten Nostalgie, ist vor allem auch ein politischer Aspekt verantwortlich für den Wiedereinzug der breiten Schultern in die aktuelle Mode. Wichtige feministische Bewegungen und Diskussionen, zum Beispiel die #MeToo-Debatte, inspirieren Designer dazu, wieder starke Staturen und mehr Körpervolumen für Frauen zu kreieren. Ähnlich der Wirkung der Schulterpolster vergangener Zeiten, demonstrieren sie auch heute noch Gleichberechtigung. Außerdem stehen sie für die Aufsprengung von Geschlechterrollen.
Diese auffällige Silhouette benötigt zwar viel Selbstvertrauen und mag in vielen Gedächtnissen noch unter Bad Taste abgespeichert sein, jedoch überzeugt sie mit einer reichen Historie und einem klaren Statement für weibliche Ermächtigung. Ein Aspekt, der niemals aus der Mode kommen sollte.
Das könnte Dir gefallen: „Laufen mit kleinem Fußabdruck“ – https://writingaboutfashion.de/tread-by-everlane-nachhaltiger-sneaker-label-news/
Header Credits: Amelie Apel, Celina Busch